Sabine Schaschl
Wien 2001
AUSGESCHRIEBEN
Zu den Arbeiten von Canan Dagdelen
Die kulturhistorischen und orthographischen Bedeutungen von Schrift beschäftigten Canan Dagdelen bereits in ihren frühen Tonbildern und Schalen. Wie ein Leitmotiv ziehen sich Auszüge der eigenen Handschrift, Schriften aus der Vergangenheit und Vergrößerungen von diversen Schriftdetails durch ihr Werk und unterstreichen immer wieder aufs Neue ihre Bedeutung als vermittelndes Glied zwischen Geschichte und Gegenwart. Stand in den Arbeiten von 1996 noch das Thema Schrift als Bild im Zentrum von Dagdelens künstlerischer Recherche, änderte sich diese im Laufe der Jahre zu einer Fokussierung auf Schrift im Bild, wobei die orthographischen Elemente in den Hintergrund traten.
In der Galerie Atrium ed Arte präsentierte die Künstlerin im Jahre 1996 große Porzellanschalen, für deren Bildelemente Auszüge aus lateinischen Schriftzeichen Pate standen und gleichsam Kulturgeschichtliches aus dem Orient vermittelten. In den Bildern aus Ton sind die grafischen Zeichen zusätzlich in Ziegelsteinstrukturen eingeschrieben, welche als Parallele mit dem stetigen Voranschreiten der Lebensjahre ebenso zu einem Gesamten aufgebaut werden. Mit ihrer eigenen Handschrift überschrieb Dagdelen eine weitere mit Ziegelsteinstrukturen versehene Arbeit und rekurrierte dabei auf die kunsthistorische Bedeutung der stilistischen und kompositorischen Handschrift des Künstlers/der Künstlerin, die seit Marcel Duchamps Readymades als verzichtbares Element tituliert und diskutiert wurde. Als drittes Element im Dagdelen’schen Werk finden sich Wortanspielungen und Wortverstärkungen wieder: von 1996 bis 1999 oftmals mit dem Zusatz des Wortes „white“. In „WRITE-white-OUT“ klingt das Spiel mit Formulierungen und um das Festhalten und Ausschreiben von Gedanken an. In „SELF-white-EVIDENT“ geht es wiederum in der ausformulierten Künstlersprache um eine Betonung des Selbst. Die Aufforderungen „TAKE PART“ und „TAKE PLACE“ sind als wiederkehrende Elemente in den Werken einerseits Ausdruck für den eigenen Wunsch nach Teilnahme – sei es an den Gedanken des Gegenübers oder an Ereignissen. Andererseits versteckt sich hinter der Formulierung von „TAKE PLACE“ auch die Suche nach einer Verortung bzw. eine Suche nach dem Platz, an dem sich die Gedanken und Ideen verfestigen können.